Frauenquote, Chancengleichheit, Geschlechterquote in Vorstandsetagen – all diese Massnahmen und Schlagworte zielen darauf ab, den Frauenanteil in Vorständen und Führungspositionen zu erhöhen. Doch wie ist der Status Quo in der Schweiz wirklich und wie hängt der Gender Pay Gap damit zusammen? Was dürfen wir von diesem Thema in Zukunft erwarten?
Entwicklung und Status Quo
Betrachtet man die Gesamtheit der Mitarbeiter im Finanzwesen, so ist das Geschlechterverhältnis relativ gleich aufgeteilt: Frauen sind etwa zu 45% in der Belegschaft als Arbeitnehmerinnen vertreten. Auffällig ist jedoch, dass der Frauenanteil abnimmt, je höher die Position ist. Müssen wir im Jahr 2023 noch davon ausgehen, dass der Finanzsektor nach wie vor eine Männerdomäne ist?
Bezogen auf alle Branchen liegt der Frauenanteil in Toppositionen in der Schweiz bei 17 %. Im Vergleich zu anderen Ländern gar nicht mal so übel. Doch insgesamt gesehen ist diese Zahl noch immer recht gering und sagt aus, dass 83% der Führungspositionen Männer innehaben – das ist alles andere als ausgeglichen und gerecht. Der Finanzsektor schneidet besser ab: Die Branche verzeichnet einen Frauenanteil von 24% in den Spitzenpositionen. Insgesamt gesehen immer noch nur ein Viertel aller Toppositionen. Warum ist das eigentlich so?
Mögliche Ursachen für die Ungleichheit
Das liegt zum einen in der traditionellen und immer noch beliebten Familienkonstellation begründet: Sowohl die Kinderbetreuung als auch die Pflege älterer Menschen wurden und werden häufig von Frauen übernommen. Das zwingt Frauen oft dazu, eine Teilzeitstelle anzunehmen. Und diese ist wiederum schlecht vereinbar mit einer Führungsposition – ein Teufelskreis.
Darüber hinaus wird die Finanzbranche von vielen Frauen als nicht attraktive Branche wahrgenommen. Zum einen liegt dies daran, dass viele Frauen einen Job in der Finanzbranche nicht mit ihren Moralvorstellungen vereinbaren können. Das Image der Branche hat seit Beginn der Finanzmarktkrise 2007 beträchtlich gelitten und sich bis heute nicht erholt. Gemessen an der öffentlichen Wahrnehmung belegt die Finanzindustrie auf der Beliebtheitsskala den vorletzten Platz – vor der Energiebranche.
Desweiteren soll die Arbeitsatmosphäre wenig kollegial und von Rivalität geprägt sein. Diese „Ellenbogenmentalität“ kommt bei Frauen deutlich weniger gut an als bei Männern: Ein Drittel der männlichen Teilnehmer gab an, dass es die Branche gerade deshalb spannend findet.
Der ausschlaggebendste Grund war jedoch die wahrgenommene schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Daher bevorzugen Frauen die Unternehmensbereiche Marketing und Personalwesen, während Männer den Finanzbereich favorisieren.
Zu guter Letzt spielt auch die Tatsache, dass es an weiblichen Vorbildern mangelt, eine Rolle. Wenn es nicht genug Frauen in Toppositionen gibt, zu denen man aufschauen und an denen man sich orientieren kann, sinkt womöglich auch die eigene Motivation und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.
Chancengleichheit im Topmanagement: Schweiz international auf der Überholspur
Der Frauenanteil in Schweizer Finanzunternehmen hat sich binnen zwei Jahren von 13 auf 24 Prozent erhöht und damit fast verdoppelt. Britische Versicherer kamen auf eine Frauenquote von 28 Prozent im Vorstand, in Frankreich waren es 27 Prozent. Die Schweiz liegt damit im europäischen Vergleich auf Platz 6.
In der Schweiz sind Geschlechter-Richtwerte seit Januar 2021 im Schweizer Aktienrecht verankert. Nach Übergangsfristen müssen Unternehmen demnach einen Frauenanteil von 30 Prozent im Verwaltungsrat (ab 2026) und 20 Prozent in der Geschäftsleitung (ab 2031) vorweisen. Die Partners Group weist heute schon einen Frauenanteil von 38% auf, die Credit Suisse einen von 36% und der Versicherer Zurich 33%. Spitzenreiter ist die USB: Hier sind 42% der Personen in der Geschäftsleitung weiblich. Nachholbedarf besteht bei der Swiss Re und der Swiss Life: Bei 15% Frauenanteil und gar 0% (Swiss Life) ist noch viel Luft nach oben.
In der Schweizer Versicherungsbranche ist der Frauenanteil in den letzten Jahren insgesamt gestiegen. Im Jahr 2021 verzeichnete die Branche mit 44,7 Prozent den höchsten Frauenanteil seit Beginn der Erhebung.
Als wichtige Massnahmen für die Frauenförderung gelten flexible Arbeitszeiten, auf die Erwerbstätigkeit abgestimmte Angebote zur Kinderbetreuung oder steuerliche Anreize. Damit wird die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessert und der weibliche Talentpool im mittleren Management kann wachsen. Dies ist ein Signal und eine wichtige Voraussetzung, damit mehr Frauen den Aufstieg auf der Karriereleiter bis in die höchste Führungsebene schaffen.
Warum die Frauenförderung in der Schweiz so gut funktioniert? Weil Banken und Versicherungen in der Schweiz sich ein klares Ziel gesetzt haben, diese zu fokussieren und zu priorisieren. Die Unternehmen möchten dem weiblichen Geschlecht diese Chancen geben, sich systematisch weiterzuentwickeln und neue Aufgaben zu übernehmen, damit sie zu einem späteren Zeitpunkt die nötige Expertise erlangt haben, die es braucht, wenn sie in die Geschäftsleitung oder auch in eine CEO-Rolle kommen.
Gender Pay Gap: Auch in der Schweiz ein Problem
Der Gender Pay Gap beschreibt den Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern. In der Schweiz liegt dieser bei 15 Prozent – das Bruttogehalt der Frauen ist demnach durchschnittlich 15 Prozent niedriger als das der Männer. Damit schneidet die Schweiz im EU-Vergleich schlechter ab als der Durchschnitt: Der Gender Pay Gap betrug im Jahr 2021 in der Europäischen Union im Schnitt 13 Prozent. Länder wie Rumänien, Polen und Slowenien machen es besser: Der Gender Pay Gap liegt hier bei unter 5 Prozent. LHH Recruitment Solutions geht mit gutem Beispiel voran:
"Bei LHH Recruitment Solutions legen wir grossen Wert auf Geschlechtergleichheit. Wir leben den Equal Pay Grundsatz und bezahlen deshalb alle Menschen gleich – ganz unabhängig von deren Geschlecht. Damit schaffen wir einen Anreiz für Frauen, in Führungspositionen zu arbeiten."
Elodie Pilnière, Director LHH Recruitment Solutions Geneva
Fazit
Der Finanzsektor in der Schweiz hat verstanden, dass Diversität auch in den Führungsetagen wichtig ist und setzt dies aktuell sehr gut um. Einige der Topbanken und -versicherer haben heute schon Geschlechter-Richtwerte des Aktienrechts umgesetzt, die erst ab 2026 bzw. 2031 in Kraft treten – das Finanzwesen wird diverser und dadurch für Frauen attraktiver. In Puncto Bezahlung jedoch schneidet die Schweiz unterdurchschnittlich schlecht ab: Frauen verdienen im Schnitt 15 % weniger als Männer.